In Abständen kommt sie immer mal wieder hoch: Diese Wut auf die Dominanz der Männer, auf das Kleinbeigeben als Frau, das Gefühl des Übermannt Werdens, das Vorzeigen des Mannes und mein eigenes Licht unter den Scheffel stellen, das Gefallen-wollen und Wertschätzung erhalten wollen von den Männern – und dann wieder das Gefühl, nicht gesehen zu werden, wertlos zu sein.
Das sind mitunter ganz alte Wunden, Glaubenssätze und Blockaden. Ein Teil kommt aus meiner individuellen Geschichte, aber ein großer Teil ist auch kollektiv. Das merke ich, weil meine Reaktion auf kleine Vorkommnisse manchmal außerordentlich wuchtig ist. Die Kali in mir zerstört dann alles, lässt nichts mehr stehen. Sie ist wie ein Tsunami: unaufhaltbar, tosend und unberechenbar. Es fühlt sich an wie die gerechte Wut aller Frauen auf die Ungerechtigkeit und Unterdrückung seit Jahrtausenden. Diese Reaktion ist größer als ich und das, was ich in meinem eigenen Leben erlebt habe.
Woher kommt das?
Das Patriarchat prägt uns – Männer wie Frauen – seit etwa 5000 Jahren. Es sitzt so tief, dass wir seine Wirkmechanismen oft gar nicht merken. Zum Heilig-Abend-Gottesdienst fiel der Satz: „Joseph, nimm dir eine Frau!“ Da zog sich in mir alles zusammen. Klar, das sagt man(n) doch so. Aber wenn ich mir überlege, welche Bevormundung, welche fehlende Selbstbestimmtheit und Gewalt hinter diesen Worten steckt, dann wird mir das ganze Dilemma wieder bewusst, das ich nicht mehr weitertragen möchte. Aber wer hinterfragt und merkt das noch? Manchmal fühle ich mich da ziemlich allein.
Und doch sind die Wunden, die uns Frauen durch Männer zugefügt wurden und teilweise noch werden, enorm. Denken wir an die Hexenverbrennungen, die Zwangsehe, die Beschneidung, Prostitution, jahrelange Verbote zu studieren, zu wählen oder sich scheiden zu lassen, um nur einige zu nennen. Und diese Wunden sind, auch wenn wir sie nicht selbst erleiden mussten, ein Teil unserer heutigen weiblichen Identität. Die Frauenbewegung hat dabei schon viel verändert, aber wenig wirklich geheilt. Diese Wunden müssen wir immer wieder neu anschauen und heilen, damit wir sie nicht noch weiter in die nächsten Generationen tragen.
Und die Männer?
Auch sie litten schon immer unter dem Patriarchat. Durch Erziehung und Sozialisation integrierten sie patriarchale Verhaltens- und Denkweisen in ihr Männlichkeitsbild, teilweise unter dem Deckmantel des Gentlemans oder der Fürsorge.
Wie kann Männlichkeit aussehen, die ohne diese Aspekte von Unterdrückung, Bevormundung und Dominanz auskommt? Die eine wirkliche Augenhöhe zur Frau ermöglicht und dennoch die männliche Kraft und Sensibilität nicht negiert?
Auch Männer litten kollektiv unter dem Zwang, in den Krieg zu ziehen und zu kämpfen, unter Konkurrenzkampf, unter dem Anspruch der Frauen, der (alleinige) Versorger sein zu müssen, erfolgreich zu sein, JEMAND zu sein etc. Und auch als Mann hast du Wunden von Frauen erlitten, die geheilt werden dürfen. Denn auch wir Frauen stellen Erwartungen an Männer, die aus diesen patriarchalen Vorstellungen kommen und die ungerecht sind.
Dadurch sind wir oft miteinander im Kampf.
An unserer übertriebenen Reaktion auf Banalitäten im Alltag spüren wir – wenn wir dafür sensibilisiert sind – die größere Ebene, sei sie individuell durch Traumata in uns vergraben oder kollektiv.
Meine Wut und Kali-Energie will daher nicht nur der Zerstörung der patriarchalen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten dienen, sondern auch der Erneuerung!
Die Heilung von Mann und Frau ist notwendig, damit wir archetypische Beziehungen führen können, die uns miteinander wachsen lassen. „Der wilde Frieden zwischen Mann und Frau“ ist möglich, wenn wir uns dem stellen, was in uns selbst, in unserer kollektiven Vergangenheit und in unserer heutigen Gesellschaft in Unfrieden ist. Dafür sind Frauen- und Männerkreise heilsam und nährend.
Wenn wir unsere Waffen erkennen und sie vor einander niederlegen, wenn wir in die Vergebung gehen und dann in die Verbindung, dann entstehen echte Nähe, Verständnis und Liebe. - Dazu laden wir dich herzlich in unserem Seminar ein: "Wilder Frieden zwischen Mann und Frau".
Text von Doreen Mehner
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